Esssucht wird seitens der Medizin als psychische Störung eingestuft. Der Grund für diese Kategorisierung liegt darin, dass die im Falle einer Esssucht (Binge-Eating-Störung) regelmäßig auftretenden Essattacken nur selten mit einem Gefühl von Hunger oder Genuss in Verbindung stehen, sondern in vielen Fällen negative Empfindungen kompensieren sollen.
Die Ursachen für die Entstehung einer Esssucht sind bisher nicht geklärt. Auf der Grundlage weltweiter Studien kann jedoch angenommen werden, dass sowohl biologische als auch psychische, psychosoziale, soziale sowie genetische Faktoren an der Entstehung einer Esssucht beteiligt sind. Die Untersuchungen weisen darauf hin, dass zwei Hauptfaktoren identifiziert werden können. Zum einen ist dies eine allgemeine Anfälligkeit für psychische Probleme aufgrund von genetischer Vorbelastung in der Familie oder ausgelöst durch Fälle von physischem Missbrauch. Aber auch ein negatives Selbstbild sowie Erniedrigung und Kränkung durch das soziale Umfeld erhöhen das Risiko, an Esssucht zu erkranken.
Adipositas in der Kindheit und darauf basierende Kränkungen verletzen die Seele des Kindes und es entsteht unter gewissen Umständen die Neigung, mit Nahrung den Schmerz verdrängen zu wollen. Auch schlechte Ernährungserziehung vonseiten der Eltern kann die Entstehung einer Esssucht begünstigen. Wird dem Kind vorgegeben, wie viel es zu essen hat, so lernt es nicht, ein Gefühl für den eigenen Nahrungsbedarf zu entwickeln, wann es satt ist und wie es seine Hungergefühle regulieren kann.
Auch eine Vielzahl nicht geglückter Diätversuche kann zur Entstehung einer Esssucht beitragen. Das kann zum einen daran liegen, dass der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel das grundsätzliche Verlangen nach Essen steigern kann. Zum anderen kann die Tatsache, dass ein mögliches Schönheitsideal nicht erreicht wird, zu einer generellen Unzufriedenheit führen, die Betroffene durch die Essanfälle zu kompensieren versuchen.
Direkter Auslöser für Essattacken ist meist psychischer Stress auf der Arbeit oder im Privatleben. Oft haben Betroffene nicht gelernt, mit Belastungssituationen umzugehen. Essattacken wirken dann für kurze Zeit beruhigend, obgleich nach den Attacken bei vielen Betroffenen Schuld- und Schamgefühle entstehen.
Guido Maiwald